Weltkulturerbe Völklinger Hütte – Die Chronik des Eisenwerks der Familie Röchling
1900:
Eine Werksfeuerwehr wird gegründet. (I. S.469)
Das Hauptbüro auf dem Hüttengelände wird erbaut.
1901:
Da die Behörden die Aufstellung von Dampfkranen nicht gestattete, um das Flutgelände freizuhalten, wurden die Schiffe bis 1900 durch Frauen und Mädchen entladen, die das Erz in Körben von den Schiffen an die Kippwagen brachten, indem sie die Last auf dem Kopf trugen.
Am 1. Februar wird der erste Dampfkran zum Entladen der Erzschiffe in Betrieb genommen. Damit waren die „Erzengel“ von der schweren Arbeit entlastet.
1903:
6. Hochofen wird am 3. Februar in Betrieb genommen.
20. April: Errichtung einer Werksschule. (I. S.469)
Dr. Hermann Röchling hat das Patent des Schweden Kjellin auf elektrische Induktionsöfen erworben.
1904:
Gründung der Baugenossenschaft 04 Völklingen. (I. S.469)
Bau der Siedlung „Lindenhof“ Gartenstraße, Tafelstraße und Hermannstraße
1905:
Die Erzeugung von Edelstahl wurde in großem Umfang aufgenommen.
1907:
Eine elektrische Zentrale mit einer Leistung von 1500 Kw wird erstellt. Sei speist 250 Motoren, 400 Bogenlampen und 2000 Glühlampen.
Am 22.6.1907 wird der am 6.5.1906 patentierte Rodenhauser El.-Ofen in Betrieb genommen.
Es folgen die Errichtung mechanischer Werkstätten, Magazine und eines chemischen Labors.
Carl Röchling erhält vom preußischen Staat den Titel Geheimer Kommerzienrat und feiert seinen 80. Geburtstag.
Eine Sparkasse für Arbeiter wird ins Leben gerufen.
Hermann Röchling wird Geschäftsführer der Völklinger Hütte.
Bau einer Schwimmhalle (der 1. Werksschwimmhalle in Europa) und einer Badeanstalt. (I. S.469)
Einrichtung einer eigenen Wohlfahrtsabteilung der Hütte.
Diese bot eine Nähschule:
Eine Mütterberatungsstelle sowie eine Säuglingsfürsorge, für die zwei Krankenschwastern Hausbesuche machten.
Des weiteren wurde wegen der hohen Säuglingssterblichkeit eine Milchküche eingerichtet. Die Milch stammte aus einem werkseigenen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem die Kühe unter tierärztlicher Kontrolle standen, insbesondere zur Vermeidung der Tbc. Die Milch wurde unter Beachtung hygienischer Grundsätze gewonnen und abgefüllt und gegen ärztliches Rezept an Mütter, Säuglinge und Kranke abgegeben.
1908:
Der Grundbesitz der Hütte betrug im Jahr 1908 525 Hektar Land.
Viele Arbeiter die von weither kamen mußten wärend der „Schicht“ in Völklingen übernachten. Das alte Schlafhaus war überfüllt, so dass viele auf Privatzimmer angewiesen waren. Ein neues Schlafhaus wurde in betrieb genommen. Es enthielt neben den 54 Schlafräumen mit insgesamt 302 Betten noch einen Speisesaal, eine Waschküche sowie eine Gemeinschaftsküche. Außerdem im Keller einen Schulsaal und die Werkstätten für Lehrlinge.
Das neue Hüttenkrankenhaus (heute Kreiskrankenhaus) war fertiggestellt.
1909:
Die Firma Röchling eröffnete in Ludwigshafen eine besondere Verkaufsabteilung für Röchling Elektrostahl.
1910:
Geheimer Kommerzienrat Carl Röchling stirbt nach einem erfüllten und erfolgreichen Leben. (I. S.469)
Das Eisen und Stahlwerk in Völklingen bestand inzwischen aus: 274 Koksöfen, 6 Hochöfen, einem Thomasstahlwerk, Anlagen zur Erzeugung von Elektrostahl, Walzwerken zur Herstellung von Eisenbahnmaterial, Formeisen, Stabeisen, Walzdraht, einer Werkstätte zur Herstellung von Eisenkonstruktionen, Anlagen zur Gewinnung von Teer, schwefelsaurem Ammoniak und Benzol und aus zahlreichen Nebenbetrieben.
Eine Turmdrahtseilbahn von der Firma Heckel wird errichtet, bei der die Schuttmassen zunächst von 60m Höhe abgekippt werden.
Mit dem Bau des Edelstahlwerkes und dazugehörenden Einrichtungen wird die Edelstahlproduktion in Völklingen aufgenommen.
Die gleichzeitige Eröffnung von besonderen Verkaufsstellen für Röchling-Edelstahl garantiert den Absatz in alle Welt.
1912:
Am 1. Januar 1912 wurde mit der Herstellung von Thomasmehl (Düngemittel) mit 10 Kugelmaschinen begonnen. Errichtung einer Mehlabfüllanlage für Thomasmehl in Jutesäcke.
Das Kalkwerk der Firma Fischer & Co (1901 in Überherrn gegründet mit einem Kalkringofen von 10 Tonnen Tagesleistung) wird von der Fa. Röchling übernommen.
Errichtung der Hostenbacher Schlackenhalden (I. S.470) – Wahrzeichen von Wehrden.
Eigene Fabriken zur Gewinnung von Nebenprodukten, Ammoniak, Benzol, Teerprodukten wurden erweitert.
Modernisierung der schweren Walzenstraßen 5 und 6 und der Feinstraßen. (I. S.470)
1913:
Die Gemeinde Wehrden wurde von der GBG-Berlin mit Leuchtgas von der Hütte versorgt. (I. S.470)
Ankauf der Steinfabrik in Völklingen zur Herstellung von Schlackensteine aus granulierter Hochofenschlacke.
Das Kraftwerk Wehrden wurde als Dampfkraftwerk 3 der Hütte erbaut.
Es wurden 275000t Koks, 331000t Roheisen und 324000t Walzfertigprodukte erzeugt.
Die Hütte hatte 5066 Mitarbeiter, davon 365 Angestellte und 115 Meister.
1914:
1. Weltkrieg brach aus.
1915:
Bau eines Siemens-Martin-Stahlwerkes (zur Herstellung von Kriegsgütern: Geschosse fast aller Kaliber, Draht für Stacheldrahtfabrik, Infanterieschutzschilde, Feldbahnschinen etc.) und des Press- und Hammerwerkes.
Die Brüder Karl, Louis und Hermann Röchling stifteten einen Fond für die Ausbildung von Kriegsteilnehmern und für die Unterstützung von Hinterbliebenen. (I. S.470)
Die Hütte beschäftigte 468 russiche Kriegsgefangene.
1916:
Am 21.1. wurde 6 angeblasen.(I. S.469) Fertigung von Stahlhelmen aus Röchling-Edelstahl zum Schutz der Frontsoldaten. Ca. 90% des Bedarfs wurden im Völklinger Werk hergestellt.(I. S.470)
Frauen ersetzten Männer als Arbeitskräfte.
Auch an den Hochöfen arbeiteten Mädchen, von denen zwei einen Mann ersetzten. Die Begichtung des s III erfolgte später nur durch Mädchen.
Die Hütte beschäftigte 664 russische Kriegsgefangene
1917:
Inbetriebnahme einer Hydraulischen Presse mit 350 t Pressdruck.(I. S.470)
1918:
Hermann Röchling wurde aufgrund seiner Verdienste zum königlich-preußischen Kommerzienrat ernannt. Er nahm als Rittmeister der 7. Dragoner an den Kämpfen 1918 im Westen teil.(I. S.470)
Von den 6300 Arbeitern im Jahr 1918 waren 1700 Frauen und Mädchen.
Von der Belegschaft der Völklinger Hütte waren insg. 461 Menschen im 1. Krieg gefallen. Das waren 9,2 Prozent der 5000 Beschäftigten von 1914.
Der Wasserturm wurde erbaut, und war gleichzeitig der erste Betonständerbau Europas.
1919:
Hermann Röchling nahm an den Waffenstillstandsverhandlungen als Sachverständiger für Industrielle und Saar-Fragen teil.
Hermann – in Abwesenheit – und Robert Röchling wurden von einem französischen Kriegsgericht wegen angeblichen Diebstahls, raub und absichtlicher Zerstörung französischer Fabriken zu 10 Jahren schweren Kerkers und zu 15 Jahren Landesverweisung verurteilt. Robert Röchling wurde 1925 aus dem Gefängnis entlassen. (I. S.470)
Am 1. September 1919 wurde zum erten Mal ein „Abkommen über die Arbeits- und Lohnverhältnisse der Arbeiter“ zw. den Hütten-Arbeitern und der Werksleitung vereinbart. Darin geregelt waren der 8 Std. Tag, höhere Löhne und zum ersten mal Urlaub.
Hermann Röchling ist seit diesem Jahr Vorstandsvorsitzender des Röchling–Konzerns.
1920:
Gründung der Stahlwerke Röchling Buderus in Wetzlar.
Bau der Federnfabrik und der Drahtstraße.(I. S.470)
1921:
Verkaufsgesellschaft „Societé Anonyme francaise des Forges et Acieries de la Sarre“ wurde in Paris ins Leben gerufen.(I. S.470)
Am 3. Sept. bis 3. Oktober kam es zu einem Generalstreik, da die Leitung den Lohn um 15% senken wollte. Die Unternehmensleitung sperrte fast 5000 der insgesamt 5800 Beschäftigten aus.
1924:
Stillegung der Hütte während 50 Tagen. Grund: Französische Stellen erhöhten Erzpreis auf das Doppelte und den Kokspreis beträchtlich.(I. S.470)
Die Arbeiter der Hütte streikten um sich einer Lohnkürzung von 25% zu widersetzen. Im Verlauf dieses Streikes, der vom 15. Sept. bis 4. Oktober währte, sperrte die Werksleitung erneut 7000 Arbeiter und Angestellte aus.
1925:
Bau der Sinteranlage nach dem amerikanischen Dweight-Lloyd-Verfahren.
Einführung der physikalischen Möllerung. (I. S.470)
Der Verein Deutscher Eisenhüttenleute verlieh Hermann Röchling die Carl Lueg Gedenkmedaille für seine Leistungen auf dem Gebiet der Metallurgie des Eisens.
1927:
Inbetriebnahme einer Zementfabrik am 08.07.1927 zur Verarbeitung der Hochofenschlacke. (I. S.470)
In dieser Zeit beteiligte sich die Familie Röchling auch an der Erbauung der evangelischen Versöhnungskirche die in der Poststraße steht. In dem Fresko in der Kuppel der Kirche ist sogar die Familie Röchling zu sehen.
Das Leben in Völklingen wurde durch die Familie Röchling geprägt. Als größter Arbeitgeber hatte Hermann Röchling nicht nur Macht über die Hütte. Er war ein sehr wichtiger Mann mit großer Macht in Völklingen.
1928:
Am 16.01.1928 ereignete sich in Völklingen das schwerste Hütten-Unglück der Geschichte des heutigen Weltkulturerbes, 13 Menschen starben.
1929:
Herstellung der ersten Pflastersteine von 10qcm aus flüssiger Hochofenschlacke.
Bau der ersten Groß-Sinteranlage Deutschlands in Völklingen: Unabhängigkeit von den lothringischen Erzvorkommen.
Ausbau des Edelstahlwerkes, der Federnfabrik und des Hammerwerkes.
Die Edelstahl-Verfeinerungsbetriebe Zieherei und Kaltwalzwerk wurden in Betrieb genommen.(I. S.470)
1930:
Die Zieherei wurde Ende des Jahres in Betrieb genommen.
Ein Kaltwalzwerk mit 3 Walzgerüsten wurde erbaut und 1931 in Betrieb geommen.
1933
1934:
Hermann Röchling wurde vom VKI mit der Grashof-Gedenkmünze geehrt.(I. S.470)
1935:
Am 1. März 1935 mit der Rückgliederung wurden Parteien und Gewerkschaften verboten. Nun gab es einen sogenannten „Vertrauensrat“, dem Betriebsführer Hans-Lothar Freiherr von Gemmingen (Hermann Röchlings Schwiegersohn) vorstand.
Übertragung des gesamten Vermögens der Röchling’schen Eisen-und Stahlwerke AG und Edelstahlwerk Röchling AG ohne Liquidation auf die Röchling’schen Eisen – und Stahlwerke GmbH zum 31. Dezember 1935. Damit war der Vorkriegszustand wieder hergestellt.
1938:
Ein 25-Tonnen Elektro-Ofen wurde in Betrieb genommen.
Eine Gasol-Anlage zur Herstellung von Treibstoff wurde gebaut.
Das Kalkwerk in Auersmacher wurde in Betrieb genommen. Im Hammerwerk wurden drei neue Hämmer aufgestellt.
1939:
Insgesamt wurde das Werk zwischen 1935 und 1939 ausgebaut und technisch modernisiert. Dazu gehörte die Erweiterung des Roheisenmischers auf 1000 Tonnen der fünf Konverter auf 21 beziehungweise 25 Tonnen und der drei Martinöfen auf 60 Tonnen.
Alle Siedlerhäuser des ersten Bauabschnittes waren jetzt fertiggestellt und bezogen.
Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September mit dem Einfall der Wehrmacht in Polen. Völklingen wurde am 3. September evakuiert und die Hütte zunächst stillgelegt.
Kriegswichtige Mitarbeiter werden nach Wetzlar, zu den Röchling-Buderus-Werken und nach Salzgitter zu den „Herman Göring Werken“ evakuiert.
32 Betriebschefs, Ingenieure, Techniker und einige Meister blieben im Völklinger Werk zurück. Dazu gehörten fünf Chaufeure, drei Leute der Schlafhaus-Verwaltung und einige Krankenschwestern.
Ab Mitte September 1939 konnten nach Rückkehr einiger Mitarbeiter nach und nach einzelne Abteilungen wieder in Betrieb genommen werden. Am 8. bis 14. Dezember wurden die Hochöfen 1 und 2 wieder angeblasen.
Die Hütte beschäftigte zu dieser Zeit 10991 Mitarbeiter.
1940:
Im Januar wurden die Hüttenleute aus der Evakuierung zurückbeordert.
März: das Thomasstahlwerk und einige Walzenstraßen wurden wieder in Betrieb genommen. Im August trafen die ersten Familien wieder in Völklingen ein. Ab ca. Juli produzierte die Hütte wieder „normal“.
1941:
Hermann Röchling wurde in den Verwaltungsrat der Reichsbank berufen.
1942:
Die Baugenossenschaft 04 Völklingen hatte 565 Häuser mit 844 Wohnungen fertiggestellt.
Kommerzienrat Hermann Röchling wurde an seinem 70. Geburtstag zum Ehrenmitglied des VdEH und zum Ehrenbürger der Stadt Völklingen ernannt.(I. S.470)
Hermann Röchling gehörte zum Führungsstab der deutschen Kriegswirtschaft. Er ist u.a.
Mitglied des Rüstungsrates
Vorsitzender der Reichsvereinigung Eisen und Stahl
Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisenschaffende Industrie
Reichsbeauftragter für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten.
1943:
Als einziges saarländisches Werk unterhielten die Röchlingschen Eisen und Stahlwerke ab April 1943 ein Straflager in Etzenhofen, einem Ortsteil Köllerbachs. Obersturmbannführer Rassner stand an der Spitze einer Truppe von etwa 150 Aufsehern. Ein Schnellgericht entschied seit dem 12. April 1943 wer bis zu 60 Tage in der Arbeits-Erziehungs-Lager (AEL) Etzenhofen kam. Von April 1943 bis 31. Dezember 1944 waren dort 1604 Menschen interniert. Ausländische Arbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene waren in dieser Zeit in zahlreichen Lagern in und außerhalb der Hütte untergebracht.
1944:
Die Belegschaft zählte insgesamt 14912 Arbeiter, darunter 4062 Frauen.
Juli 1944: Verhaftung Ernst Röchlings nach gescheitertem Hitlerattentat wegen Verschwörung gegen den Staat. Inhaftierung im Zuchthaus Brandenburg (Befreiung im Januar 1945 durch amerikanische Truppen).
Anfang November wurde die Bevölkerung zum 2. mal evakuiert und daraufhin die Produktion eingestellt. Eine Notbelegschaft von 100 Leuten blieb im Völklinger Werk zurück.
Am 17. Dezember wird Karl Theodor Röchling, der einzige Sohn des Kommerzienrates, zusammen mit Oberingenieur Koch auf dem Hüttengelände ermordet.
1945:
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke unter Séguesterverwaltung gestellt (I. S.471). Mitglieder der Geschäftsleitung wurden entlassen und ausgewiesen.
Am 4. Dezember 1945 konnte Hochofen 6 der Völklinger Hütte als erster von 30 saarländischen Hochöfen wieder arbeiten.
1946-1949:
Ein französisches Militärgericht in Rastatt verurteilte Hermann Röchling, Ernst Röchling, Hans Lothar von Gemmingen und Wilhelm Rodenhauser (I. S.471) zu Gefängnisstrafen. Zudem Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Beschlagnahmung des gesamten Privatvermögens. Maier wurde freigesprochen, Rodenhauser erhielt ebenfalls eine Gefängnisstrafe.
Damit fielen 10% der Anteile der Völklinger Hütte an Frankreich.
Ende September 1949 waren alle sechs Hochöfen wieder unter Feuer.
Viele Arbeiter litten allerdings in den ersten Nachkriegsjahren an Unterernährung. Normalarbeiter erhielten 1300 Schwerarbeiter 1700 Kalorien täglich. Trotz dieser geringen Mengen arbeiteten sie hart, so dass bereits jetzt die höchste Vorkriegsproduktion an Roheisen von 1938 noch übertroffen wurde.