Saarbrücker Zeitung, 27.07.2001: Pause im Alten Brühl
27.07.2001
Pause im Alten Brühl
Völklingens Mittelalter: Grabungs-Kampagne für dieses Jahr beendet
– Von Doris Döpke –
Heute noch eine Führung, nächste Woche Aufräumen am Grabungs-Ort – die Suche nach den Resten der mittelalterlichen Martinskirche ist für dieses Jahr beendet: Wie und wann es 2002 weitergeht, ist offen.
Völklingen. Noch ein Tag für letzte Grabungsarbeiten, heute. Dann noch zwei Tage zum Aufräumen, Montag und Dienstag. Und vom Mittwoch an wird es wieder menschenleer sein auf dem Gelände am Alten Brühl, auf dem einst Völklingens erste Kirche gestanden hat: Die Grabungskampagne, in der ein Archäologen-Team im Auftrag des Landeskonservatoramtes den steinernen Überresten der mittelalterlichen Martinskirche nachspürte, ist beendet. Jedenfalls für dieses Jahr – wie und wann es 2002 wei- tergeht, steht noch nicht fest. Dass es allerdings weitergehen soll, war für Landeskonservator Johann Peter Lüth schon vor zwei Monaten Gewissheit.
Also noch schnell ein Besuch auf der Ausgrabungsstätte, schauen und fragen, was es Neues gibt. Grabungsleiterin Dr. Sabine Donie sitzt im Bauwagen, sichtet Kleinfunde, die, säuberlich nach Material und Typ in Pappschachteln sortiert, den Tisch vor ihr bedecken. „Tierknochen“, erläutert sie zu den bräunlichen Teilen mit porös wirkender Oberfläche, die sie gerade genauer zur Hand genommen hat. Bruchstücke, nur Zentimeter lang. Hier, flach mit Riefen: Fragment eines Rinderzahns. Dort, lang, schmal und hohl: Überrest eines Schweineknochens. Vielleicht. Sie lacht, „genau weiß ich es auch nicht“. Muss sie auch nicht, die Funde werden zur Analyse wandern, wo ihr Ursprung und ihr Alter bestimmt wird, bei organischen Materialien ist das möglich. Bei anorganischen Materialien nicht; um beispielsweise die Reste uralter Nägel in der Nachbarschachtel zu datieren, muss Donie andere, indirekte Wege gehen: wo gefunden, in welcher Lage, welchem Erdreich, welchen Zusammenhängen. Und die wunderlich geformten Metallstücke ein Schächtelchen weiter? „Sieht aus wie von der Feuerwehr“, juxt die Fachfrau – nein, nichts Altes. Billige moderne Metall-Legierungen seien nicht haltbar. Etwa ein jüngst am Alten Brühl gefundenes Groschenstück: in schlechterem Zustand als mittelalterliche Münzen, „denn die waren aus Silber“.
Aber gar so viele Münzen oder sonstige Dinge, die sich klar einem Jahrzehnt oder wenigstens einer eng umgrenzten Epoche zuordnen lassen, fanden sich nicht am Alten Brühl, sagt Donie, als wir draußen am Grabungszelt stehen. Sie sagt es leicht bedauernd – mit mehr Anhaltspunkten solcher Art hätte sie es im August leichter bei der Interpretation der Grabungsergebnisse. So muss sie vielfach auf „relative“ Datierungen zurückgreifen: Fund A ist älter als Fund B, aber jünger als Fund C; Mauerstück X ist auf Mörtel gebettet, wie er in Mauerstück Y verwendet wurde, also wurde X nach Y errichtet – ein mühsames, fast kriminalistisches Puzzle. Zur „absoluten“ Datierung der Mauern werden aber Keramikscherben beitragen, die in den unberührten Erdschichten nahe beim einstigen Kirchturm entdeckt wurden. Die Scherben gehören freilich zu einem Geschirr-Typ, erläutert Donie, der sehr lange in Gebrauch war. Aufs Jahrzehnt genau wirds deshalb nicht gehen, aufs Jahrhundert genau muss mitunter reichen.
Es sei denn, organisches Material hilft wieder. Etwa die Kinder-Bestattungen, die zwei Studentinnen unterm Grabungszelt ganz, ganz vorsichtig freilegen. Man muss genau hinschauen, um die kleinen braunen Mulden im rötlichen Auenlehm zu erkennen: Gruben im Grund, mit dunklerem Humus aufgefüllt. Bis zu den winzigen Schädelknochen haben sich’die Ausgräberinnen vorgearbeitet. Knochen, die nur eierschalendünn sind, sagt Donie, mit gröberem Grabungs-Werkzeug wären sie zerstört worden. Dass sie erhalten blieben, lag wohl daran, dass daneben menschliche Reste aus einem aufgelösten Ossarium (Beinhaus) beerdigt waren; daran rührte später niemand mehr. Mehr als 100 Individuen, „acht Kubikmeter tote Völklinger“, wie Donie“ lächelnd sagt – die geplante Untersuchung der Knochen durch Pathologie-Spezialisten wird daher auf sich warten lassen; eine Interessentin, die die Funde zum Thema ihrer medizinischen Doktorarbeit machen wollte, schreckte zurück angesichts der Material-Fülle.
Am Turm sind die Forschungen jetzt nahezu beendet. Doch in anderen Bereichen haben sie noch gar nicht begonnen -Arbeit, so schätzt Donie, gibt es noch für mindestens ein weiteres Grabungs-Jahr. Und bis dahin, im Winter? Für erste Folien und Dämm-Material über den Steinen, schlägt die Expertin vor, um das Regenwasser von den alten Mauern fernzuhalten und, noch wichtiger, Frostsprengungen vorzubeugen. Das aber wird nicht ihre Aufgabe sein, sondern Sache des Landeskonservatoramtes.
Heute um 14 Uhr gibt es noch eine Führung auf dem Gelände am Alten Brühl. Dr. Sabine Donie wird Interessierten die Grabungs-Ergebnisse erläutern.