#Saarland. Im Saarland wird es nun ernst: Autofahrer müssen sich auf noch mehr Geschwindigkeitskontrollen einstellen als zuvor, denn die Bürgerblitzer können jetzt scharf gestellt werden.
Die Idee hinter dem Bürger-Blitzer ist einfach: (Fast) jeder Bürger kann künftig selbst Geschwindigkeitsmessungen durchführen und Sünderinnen und Sünder der Bußgeldstelle der zuständigen Kommune melden. Die Reform der Verkehrsüberwachung hat dabei mehrere positive Nebeneffekte: Die Behörden werden entlastet und das Know-How der Bürgerinnen und Bürger in Sachen Gefahrenstellen wird genutzt. Bereits 2015 sagte ein Mitarbeiter einer südsaarländischen Gemeinde, der namentlich nicht genannt werden wollte: „Wir nutzen dabei auch das Wissen unserer Bürger. Schließlich kennt niemand besser die Gefahrenschwerpunkte als die Menschen, die dort leben“, gegenüber einem Anwalts-Webportal.
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Auch bei der Stadt Völklingen freut man sich: „So können wir das Ordnungsamt von dieser Tätigkeit in Nebenstraßen entlasten und uns auf das Thema Parksünder konzentrieren.“, ist aus dem Rathaus zu hören, weiter: „Stationäre Blitzeranlagen sind somit für uns als Kommune vorerst kein Thema mehr.“
Schulung im Verkehrsrecht ein Muss
Zwar soll im Grunde jeder Bürger sich zum Blitzen melden können, doch nachdem der Feldversuch einige juristische Verfahren nach sich zog musste die ohnehin vorgesehene zweitägige Schulung zum Thema Verkehrsrecht um einen weiteren Tag erweitert werden, da der Umgang mit Verkehrsüberwachungsanlagen die ein oder andere Anforderung an den Bediener stellt. Erfolgreich juristisch angefochten wurden zum Beispiel die Messwinkel der Anlagen oder die nicht einwandfreien Beweisfotos. In vielen Fällen bekam der mutmaßliche Verkehrssünder im Feldversuch sein Bußgeld zurück, womit Experten allerdings bereits vor dem Feldversuch rechneten, denn Anwalt Walentowski freute sich: „Wir Anwälte werden sicher auch davon profitieren.“
Eine weitere Einschränkung werden Lizenzen sein: Da sich in den Versuchsgemeinden der Art viele Freiwillige meldeten, müssen Gemeinden ihre Straßen in bestimmte Bezirke unterteilen in denen jeweils nur ein Bürger-Blitzer eine Lizenz erhält. Voraussetzung für eine Lizenz ist der erste Wohnsitz innerhalb dieses Bezirks – außerdem muss der Bürger-Blitzer je nach Bezirksgröße und Verkehrsaufkommen eine bestimmte Quote erfüllen um seine zunächst auf 2 Jahre beschränkte Linzenz automatisch verlängert zu bekommen.
Messanlagen kosten zwischen 20.000 und 24.000 Euro
Zunächst eine gute Nachricht für die Autofahrer, eine Verkehrsüberwachungsanlage kostet je nach Ausstattung zwischen 20.000 und 24.000 Euro. Dafür müssen die blitzenden Bürger allerdings selbst aufkommen, erste Kommunen stellten zur Finanzierung bereits die Aussicht auf zinzfreie Kredite, die in den Haushalten auch bereits Berücksichtigung fanden. Außerdem, und das ist die schlechte Nachricht für Raser, amortisieren sich die Investitionen schnell: 5 bis 7 Prozent der Bußgelder bekommen die erfolgreichen Blitzer nach Abzug von Einkommenssteuern erstattet, dabei ist die Investition in die Radaranlage bei der Steuererklärung abzugsfähig. „Je mehr der Bürger blitzt, desto höher sind seine Einnahmen – und unsere. Das ist ein fairer Deal“, sagte bereits 2015 der Mitarbeiter der saarländischen Gemeinde gegenüber des Internetportals des Deutschen Anwaltsvereins.
Kritiker konnten sich nicht durchsetzen
Verkehrsexperten sind skeptisch, so äußerte sich der Anwalt für Verkehrsrecht Dr. Hermann Michael von Ens: „Die Liberalisierung der Geschwindigkeitsmessungen ist der nächste Schritt in die vollständige Bürgerüberwachung. Der Blockwart von früher wird nun zum Ordnungsbeamten und die Behörden freuen sich. Finanziell könnte ich mich als Anwalt zwar freuen, doch die mit der Einführung der Bürgerblitzer einhergehenden juristischen Auseinandersetzungen durch Einsprüche könnten auch die Steuerzahler einiges kosten, wobei noch nicht einwandfrei geklärt ist ob der Bürgerblitzer oder die Bußgeldstelle hierbei die Beklagten sein werden.“
Trotz dieser Einwände und offener rechtlicher Fragen, auch im Bezug mit dem Verfassungsrecht, wurde der Bürgerblitzer nun scharf gestellt und darf zum 01.07.2017 aktiv werden.
Wie man zum Bürgerblitzer wird
Die saarländischen Kommunen haben sich darauf geeignigt, die Bürgerblitzerlizenzen im Amtsblatt analog einer Stellenausschreibung auszuschreiben. Auf diese Ausschreibung hin können sich Interessenten schriftlich bei der Kommune bewerben. Die Auschreibung der Stadt Völklingen wird wohl am heutigen 1. April im Bürgerinformationsfenster am Neuen Rathaus zu lesen sein.
Hintergrund: Nach Informationen des Internetportals des Deutschen Anwaltsvereins gab es bereits 2015 einen Feldversuch in verschiedenen Gemeinden der Bundesländer Sachen-Anhalt und Saarland, in denen Bürger selbst Temposünder ins Visier nehmen durften, der Erfolg des Feldversuchs ist eindeutig: Die Kommunen sparen nicht nur Geld, Unfallschwerpunkte wurden erfolgreich entschärft (32,6% weniger Unfälle, die Personenschäden gingen an den gleichen Stellen sogar um 76,4% zurück!) bei gleichzeitig steigenden Einnahmen in den Kommunen durch Bußgelder.